Als Yoga Anfänger im Dschungel der Yoga Möglichkeiten durchblicken

Welcher Yoga Stil ist der richtige für mich???

Als ich das erste Mal Yoga praktiziert habe, bin ich einfach ins Studio um die Ecke gegangen, habe eine Probestunde gemacht und dann ein Abo abgeschlossen. Es gab jeden Abend zwei Kurse, die Namen hatten wie „Yoga für den Rücken“, „Yoga zum entspannen“, „Yoga am Abend“ … Und je nachdem wie ich Zeit und Lust hatte, bin ich zu einem dieser Kurse gegangen.

Als ich dann anfing mich mehr mit Yoga zu beschäftigen und spätestens als mir klar war, dass ich eine Yogaausbildung machen wollte, war ich komplett verwirrt welches Yoga ich überhaupt mache, geschweige denn machen möchte. Auf einmal merkte ich nämlich wie viele verschiedene Yoga Stile es gibt, nur wollte mir nicht so ganz einleuchten was der Unterschied zwischen ihnen ist, denn abgesehen von ein paar Ausnahmen, wie Hot, oder Aerial Yoga, sah für mich alles ziemlich gleich aus. Gerade als Yoga Anfänger hätte mir eine Aufzählung wo genau die Unterschiede liegen, sehr geholfen.

Heute, mehrere Jahre und einige Yogaausbildungen später, ist eine meiner größten Herausforderungen als Yogalehrerin immer noch die Frage zu beantworten: „Und was unterrichtest du für ein Yoga?“. Meine Standard Antwort ist dann meistens Hatha Yoga. Genau genommen ist Hatha zwar kein Yogastil, aber ich habe das Gefühl die meisten wissen was ich meine und irgendwie ist die Antwort auch nicht wirklich falsch, aber dazu später mehr.

Yoga Traditionen vs. Yoga Stile

Ein grundlegendes Problem beim Verständnis was die verschiedenen Yoga Stile ausmacht ist die Unterscheidung zwischen Yoga Tradition und Stil. Wenn man als Yoga Anfänger fragt was es für verschiedene Stile gibt, meint man meistens wie unterscheidet sich die Praxis voneinander, also wie übt man welchen Stil. Und direkt da beginnt es schon verwirrend zu werden.

Denn während manche Stile tatsächlich sehr unterschiedlich praktiziert werden, beim Hot Yoga z.B. übt man in einem auf fast 40 Grad erhitzten Raum, beim Acroyoga übt man im Paar, beim Yin Yoga bleibt man ca. 3 Minuten in einer Haltung., unterschieden sich andere kaum in der Art wie man sie ausübt. Haltungen, Dynamik etc. sind fast gleich, sie stehen aber in unterschiedlichen Traditionen, d.h. die Philosophie hinter der Praxis und das Ziel sind andere.

Als wäre das nicht genug, gibt es auch noch Stile, die in Ausübungsart und Tradition das gleiche zu sein scheinen, aber unterschiedliche, geschützte Namen haben. Die Differenzierung liegt hier, und das ist nur meine persönliche Meinung, ausschließlich im Marketing.

Eine (sehr, sehr) kurze Geschichte des Yoga

Shiva Yoga Geschichte

Wie alles auf der Welt verändert und entwickelt sich auch Yoga ständig weiter, so etwas wie eine reine Lehre im Yoga gibt es nicht und wenn wir wirklich ehrlich sind praktiziert auch kaum einer von uns eine Jahrtausende alte Praxis, wenn er seine Matte ausrollt. Wie ist Yoga also geworden was es ist und wie beeinflusst das unsere heutigen Yoga Stile?

Vorab, Yoga hat eine mega lange und reiche Geschichte die ich hier nur extremst verkürzt und mit vielen Aussparungen darstelle. Dieser Teil hat nicht mal ansatzweise einen Anspruch auf Vollständigkeit.

Tatsächlich sind die Ursprünge dessen was wir heute Yoga nennen um ca. 2000 v. Chr. zu verorten, in die Zeit der vedischen Religion der Brahmanen. Wirklich spannend für uns ist aber die sogenannte klassische Periode zw. 1000 v. Chr. und 500 n. Chr.. Dies ist die Zeit in der viele der Texte entstanden sind auf die wir uns auch noch heute im Yoga Berufen. Die Upanischaden in denen Yoga zum ersten Mal als Praxis zur Befreiung von Leid auftaucht, die Bhagavad-Gita, in der es darum geht ein rechtes Leben im Einklang mit unserer Bestimmung zu führen und die Yoga Sutras des Patanjali, eine der ersten systematischen Zusammenfassungen der Yoga Philosophie und Praxis. Dies ist auch die Zeit in der Buddha gelebt und gelehrt hat. Von Anbeginn an haben sich all diese verschiedenen Linien auch gegenseitig beeinflusst.

Zu diesem Zeitpunkt ist Yoga eine asketische Praxis in der der Körper und seine Bedürfnisse als Hindernis gelten, die es zu überwinden gilt um spirituelle Entfaltung zu erfahren.

Diesem Verständnis gegenüber steht die tantrische Tradition die ihren Ursprung zur gleichen Zeit wie Pantanjali hat, ihren Höhepunkt aber erst ca. 1000 n. Chr. erfährt. In dieser Tradition ist er Körper kein Gegner den es zu geißeln und überwinden gilt, sondern im Gegenteil er ist das Vehikel durch das wir spirituelle Entfaltung erst erfahren können. Es gibt nicht uns und einen Gott, den wir erst erkennen müssen, sondern wir und alles um uns sind Teil der göttlichen Natur, Gott ist sozusagen bereits in uns. Das ist es was gemeint ist, wenn gesagt wird: Alles, wir und das Universum sind eins! Und was die Quantenphysik heute zu belegen scheint.

Ab dem 11Jh. beginnen nun die Texte des Hatha Yoga zu erscheinen, deren Höhepunkt die „Hatha Yoga Pradipika“ von Swami Svatmarama im 14Jh. ist. Hier wird alles was wir heute klassischerweise mit Hatha Yoga verbinden ausführlich erklärt: Asana, Pranayama, Bhanda, Mudra…. Dieser vermeintliche Fokus auf den körperlichen Aspekt, ist der Grund warum Hatha heute fast mit Asanapraxis gleichgesetzt wird. Alle Yogastile bei denen der Körper in irgendeiner Weise in die Praxis miteinbezogen wird, egal ob Yin, Hot, Kundalini, Ashtanga, Aerial etc. fallen damit unter die Kategorie Hatha Yoga (erinnert ihr euch am Anfang, als ich gesagt habe dass ich Hatha unterrichte ist keine ganz richtige, aber auch keine ganz falsche Antwort? Das ist warum).

Tatsächlich ist die Körperpraxis auch im Hatha Yoga nur ein Teil des Ganzen und Meditation und Kontemplation schon immer fester Bestandteil. Und auch die Hatha Yoga Tradition unterteilt sich wieder in zwei Linien: die tantrische, nondualistische Linie (Brahma/Gott und Atman/unser Seele sind das Selbe und unser Körper ist das Instrument durch welches wir dieses Göttliche erfahren) und der asketischen, dualistischen Bindu Linie.

Warum sollte ich das als Yoga Anfänger wissen???

Wie wir gesehen haben, hat „Yoga“ sich schon immer verändert, weiterentwickelt und an Region und Zeitgeist angepasst, am stärksten ist dies in den letzten Jahrzehnten passiert. Das liegt hauptsächlich an der enormen Popularität die Yoga, besonders auch hier im Westen erreicht hat und der damit verbundenen Vielfalt an Yogapraktizierenden und Yogalehrern, die alle ihre eigenen Erkenntnisse, Interessen und kulturelle Eigenschaften in ihr Yoga mit einfließen lassen.

Wir sehen die Fusion verschiedener Linien, ursprünglich asketische, nondualistische Texte wie das Yoga  Sutra, die heute wesentlich undogmatischer interpretiert werden, das Einbeziehen wissenschaftlicher Erkenntnisse, Einflüsse aus dem Schamanismus werden immer deutlicher sichtbar, Elemente aus dem Tanz werden immer öfter integriert. Es gibt heute christliches Yoga, afrikanisches Yoga und viele mehr.

Diese Vielfalt, ist eine Bereicherung und das was Yoga so besonders macht. Sie ist es die so vielen verschiedenen Menschen den Zugang zum Yoga überhaupt erst ermöglicht und ihnen dadurch eine Praxis vermittelt, die sie darin unterstützt näher zu sich zu kommen und ihr Leben in Harmonie zu bringen. Schließlich führen ja bekanntlich mehrere Wege nach Rom.

Allerdings ist es bei all dem Reichtum an Einflüssen, gerade als Yoga Anfänger, leicht den Überblick zu verlieren, wo diese Praxis herkommt, was sie ausmacht und was ihre ursprüngliche Intention war. Viele „Superstars“ der Yogawelt sind heute Weiß, Schlank, Wohlhabend und sprechen eine westliche Sprache. Wenn man heute in ein Yogastudio geht könnte man den Eindruck gewinnen, Yoga ist etwas das von dieser Gruppe, für diese Gruppe entwickelt wurde.

Ich selbst praktiziere seit fast 10 Jahren Yoga und bisher ist es nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ich nicht die einzige Nicht-Kaukasierin im Raum war.

Das ist nicht richtig!!!

Wir können Yoga praktizieren wie und mit wem wir wollen, gerade darin liegt ja die Schönheit dieser wundervollen, undogmatischen Praxis. Aber es gehört zum Verständnis des Yoga dazu und auch aus Respekt vor der Kultur die es hervorgebracht hat, dass wenn wir Begriffe, Konzepte, Übungen etc. verwenden, wir uns ein Mindestmaß an Wissen darüber aneignen wo, wie und warum diese entstanden sind und wie sie zu uns gekommen sind.

Last but not least: Die verschiedenen Yoga Stile

Da die Fülle an verschiedenen Yoga Stilen für diesen Beitrag zu umfassend ist, beschränke ich mich hier auf solche die besonders populär sind, oder deren Eigenschaften nicht sofort aus dem Namen ersichtlich sind. Manche habe ich nicht erwähnt, weil sie aus meiner Sicht, außer einem wohlklingenden Namen, kein besonderes Alleinstellungsmerkmal haben und auch zur Familie des Hatha Yoga gehören, was diese Stile in keinster Weise schlechter, oder weniger Wert macht.

Yoga Übende

Hatha Yoga

Wie ich bereits oben erwähnt habe ist Hatha Yoga genau genommen kein Stil, sondern eine Tradition aus der fast alle Yoga Stile die wir heute praktizieren entstanden sind. Trotzdem wird Hatha Yoga oft als Begriff zur Beschreibungen von Yogakursen verwendet. Auch ich mache das ;-). Gemeint ist, dass in diesen Kursen die Asanas (Haltungen) sowohl dynamisch, also im Flow, als auch statisch ausgeübt werden. Typischerweise sind auch Pranayama (Atemübungen), Achtsamkeit und Meditation fester Bestandteil eines Hatha Kurses. Ziel ist es eine Balance zwischen Stärkung und Entspannung  des Körpers zu erreichen, um dann durch Meditation höhere Bewusstseinszustände zu erreichen.

Vinyasa Yoga/Vinyasa Flow Yoga

Ein weiterer Stil der sich nur schwer von anderen abgrenzen lässt ist Vinyasa, oder Vinyasa Flow Yoga. Der Begriff selber setzt sich zusammen aus Vi – auf bestimmte Weise und Nyasa – anordnen, platzieren. Die Haltungen werden also auf eine bestimmte Weise angeordnet, sodass sie einen Flow ergeben. Der Sonnengruß z.B. ist ein Vinyasa. Typischerweise werden beim Vinyasa Yoga die dynamischen Haltungen mit dem Atem synchronisiert. Auch hier sind Pranayama, Achtsamkeit und meditative Elemente meist fester Bestanteil der Praxis.

Ashtanga Yoga/Ashtanga Vinyasa Yoga

Dieser Stil geht auf Pattabhi Jois zurück und bezieht seinen philosophischen Rahmen aus dem Yoga Sutra. Bestimmte Asanas sind in sechs festen Übungsfolgen „Serien“ zusammengefasst. Traditionell beginnt man mit der ersten Serie, also immer die gleichen Asanas in der gleichen Reihenfolge, bis man diese gemeistert hat, erst dann geht man weiter zur zweiten Serie und so weiter. Außer Samstags, an Neu- und Vollmond wird täglich geübt. Besonderer Fokus wird auf die Ausrichtung des Körpers gelegt, dies beinhaltet auch Dristi/Blick, Bandha/Verschluss und Mudra/Handhaltung. Gerade bei Yoga Anfängern wird dieser Stil oft als schwierig und anstrengend empfunden.

Der Begriff Ashtanga selbst bedeutet „acht Glieder“ und bezeichnet nicht nur diesen Yoga Stil, sondern darüber hinaus auch den Achtgliedrigen Yogapfad aus Patanjalis Yoga Sutra. Jemand der diesen Pfad verfolgt, kann also ebenfalls Ashtanga Yoga praktizieren, aber nicht genau diesen Stil meinen.

Iyengar Yoga

Frau die Yoga auf Stuhl übt

Diese Methode geht zurück auf B.K.S. Iyengar, der beim Vermitteln der Asanas besonderen Fokus auf die Ausrichtung des Körpers in den Haltungen gelegt hat. Beim Iyengar Yoga ist es typisch lange in einer Haltung zu verweilen, um diese so präzise wie möglich auszuführen, zu diesem Zweck hat Iyengar als einer der Ersten (ich glaube sogar er war DER erste) Hilfsmittel wie Blöcke, Gurte, Wände etc. in die Praxis miteinbezogen und so alle Hatha Yoga Stile Weltweit geprägt. Trotz des besonderen Fokus auf die Haltungen, ist das Ziel auch im Iyengar Yoga Körper, Sinne, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Iyengar selbst hat seine Verpflichtung gegenüber allen acht Gliedern des Yogapfades des Patanjali betont.

Kundalini Yoga

Kundalini Yoga

Der Fokus beim Kundalini Yoga liegt darauf die in uns schlafende göttliche Energie, also die „Kundalini Shakti“ durch bestimmte Atemtechniken, singen, meditieren und körperlichen Übungen zum Aufsteigen, durch die Chakras, zu bringen und freizusetzen. Viele empfinden die Übungen des Kundalini, z.B. die Arme über einen längeren Zeitraum über den Kopf zu strecken, als (teilweise schmerzhaft) intensiv. In den Westen ist dieser „Yoga des Bewusstseins“ durch „Yogi Bhajan“ gekommen und die meisten Kundalini Yogalehrer halten sich auch an die von seiner Organisation 3HO (Healthy, Happy, Holy Organization) verbreitete Lebensführung und Praxis. Besonders in den letzten Jahren erfreut sich dieser Stil einer steigenden Beliebtheit, nicht nur in Hollywood Kreisen.

Yin Yoga

Yoga Kind Haltung

Diese Form des Yoga orientiert sich auch an der TCM und wurde besonders durch Paul Grilley und Bernie Clark bei uns populär gemacht. Dies ist ein sehr langsamer Stil bei dem die Haltungen zw. 90s – 5min gehalten und so gut wie nie im Stehen ausgeführt werden. Der Fokus liegt auf den Meridianen und den damit verbundenen Organen. Im Gegensatz zu anderen Yoga Formen stehen hier nicht die Muskeln im Vordergrund, sondern das Bindegewebe und die Gelenke. Durch das lange Halten der Asanas ist Yin Yoga besonders hilfreich bei der Schulung des Körperbewusstseins bzw. der Körperwahrnehmung.

Zum Schluss

Auch wenn diese Unterteilung der verschiedenen Yogastile als erste Orientierung dient, hängt der tatsächliche Inhalt und Aufbau jeder Stunde sehr von dem jeweiligen Yogalehrer ab. Die meisten bedienen sich heute großzügig am Buffet der Yogamöglichkeiten und integrieren was ihnen nützlich und dienlich scheint in ihre Stunden. Es ist nicht ungewöhnlich in einer Vinyasastunde Kriyas aus dem Kundalini vorzufinden, oder in einer Hathastunde Anleitungen aus dem Iyengar. Gerade das ist es auch, was es manchen Yogalehrern so schwer macht ihren Stil genau zu definieren. Oder bin das nur ich???

Das Beste was ich jedem Yoga Anfänger raten würde, ist sich einfach durchzuprobieren. Das ist wie beim Eis essen, es lohnt sich ein paar Sorten auszuprobieren bevor man sich für eine Lieblingssorte entscheidet. Und selbst dann, ist es nicht verkehrt trotzdem hin und wieder nochmal was anderes zu nehmen.

Am Ende haben fast alle Yoga Stile das gleiche Ziel: durch das Herstellen der Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele uns wieder mit unserer göttlichen Natur zu verbinden und ein erfülltes Leben zu führen.

Bei der Beschreibung der einzelnen Yoga Stile habe ich mich zusätzlich zu meinen eigenen Erfahrungen an den Beschreibungen von Mark Stephens orientiert, die in seinem Buch „Yoga Unterrichten, Grundlagen und Techniken“ 2015 zu finden sind.

Ich hoffe dass diese kleine Einführung dir geholfen hat einen ersten Überblick über die verschiedenen Yoga Stile zu bekommen und dir den Start in die Yogawelt etwas erleichtert.

Viel Liebe

Sara

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Hey, schön dass du hier bist

Ich möchte dir helfen durch Yoga zu entspannen, tief durchzuatmen und achtsam mit dir selbst zu sein. Nicht nur auf der Matte.

Denn ich glaube felsenfest daran, dass wenn wir Frieden und Freude in uns selbst finden, wir Frieden und Freude nach außen tragen. Probiere es aus und entscheide selbst!