Es ist September, die Tage sind wesentlich kürzer, es ist uselig und bei meinem letzten Gang durch den Supermarkt habe ich schon Spekulatius gesehen, der Sommer ist definitiv over und der Herbst steht vor der Tür.
September ist eine Zeit des Wandels, die Yang Qualitäten des Sommers nehmen ab und die Yin Qualitäten des Winters nehmen zu. Es wird langsamer, dunkler und unser Leben beginnt sich wieder vom außen ins warme, gemütliche Innen zu verlagern. Es ist die Zeit in der sich alles in der Natur zurückzieht, um seine Kräfte zu bündeln.
Und sosehr ich den Sommer liebe, liebe ich auch diese Wandelzeit, weil sie so schön magisch und mysteriös ist. Jetzt ist die perfekte Zeit für Rituale, für Innenschau, Reflexion und neue Intentionen. Genau wie ein Samen in die Dunkelheit der Erde gelegt wird, damit daraus eine neue Pflanze entsteht, gehen auch wir in dieser Zeit in uns um mit neuer Kraft wieder nach außen zu strahlen.
Hier sind ein paar Tipps und Rituale die ich jetzt gerne mache, um mich auf den Rhythmus der Natur und Elemente einzustimmen. Vielleicht ist ja auch für dich etwas dabei.
Zeit des Wandels, Zeit für Reflexion und Loslassen
In mir schlagen zwei Herzen, das Sammlerherz (kann man wirklich genug Bücher, Musik & Filme haben???) & die (Möchtegern-) Minimalisten, die in perfekter Marie Kondo Manier am liebsten den ganzen Tag ausmisten würde. Herbst ist die perfekte Zeit für das Zweite. Genau wie die Bäume ihre Blätter verlieren, um im nächsten Jahr wieder neu zu wachsen, entledigen auch wir uns der Dinge die wir nicht mehr brauchen, um Platz für neues zu machen. Am einfachsten geht das mit einem ausgiebigen Hausputz und dem aussortieren von ungenutzten Gegenständen.
Die nächste Ebene des Ausmistens, ist das Aufräumen in uns selbst. Wir gehen im Winter im wahrsten Sinne des Wortes in einen Kokon und kuscheln uns ein. In diesem Kokon, können wir reflektieren, was wir bis hierhin geleistet haben. Die längeren Abende laden uns ein nach innen zu schauen und uns zu fragen wie die letzte Zeit verlaufen ist. Welche Erfolge haben wir in diesem Jahr gehabt? Welche Herausforderungen haben wir gemeistert? Wo haben wir uns selbst überrascht? Wo sind wir stolz auf uns? Welche magischen Momente und Erkenntnisse hatten wir? Auch: Was ist uns vielleicht nicht so gut gelungen? Wo haben wir uns zurück gehalten, oder uns nicht getraut? Wovon wollen wir in Zukunft weniger? Frag dich: wo stehe ich mir manchmal selbst im Weg? Welcher Glaubenssatz hält mich immer wieder zurück? Ohne welchen Gedanken würde ich mich besser fühlen?
Es ist in dieser Zeit der äußeren Dunkelheit, in der wir auch in unsere dunklen Ecken schauen um mit dem nächsten Frühling in noch hellerem Licht zu erstrahlen. Deshalb ja auch Erleuchtung 😉 Vor allem geht es bei dieser Innenschau nicht darum uns zu bewerten, sondern uns besser kennenzulernen. Satya ist hier das yogische Zauberwort, es ist das zweite Yama im achtgliedrigen Yoga Pfad und bedeutet Wahrhaftigkeit. Wahrhaftig können wir aber nur sein, wenn wir uns wahrhaftig selbst anschauen und kennen.
Nutze die Dynamik des Herbsts für neue Intentionen
Irgendwie hat es sich eingebürgert, dass wir in der Nacht zum 01.01. eines jeden Jahres uns lauter neue Vorsätze machen, was wir alles ändern wollen. Nach einiger Zeit diese Vorsätze wieder vergessen und dann bis zum nächsten Jahr warten, damit wir dieses Mal wirklich alles anders machen. Dabei ist unsere Fähigkeit eine Intention zu setzten und eine Kurskorrektur vorzunehmen nicht auf Neujahr beschränkt, und besonders der Herbst ist eine ideale Zeit um dies zu tun.
Zum Fundament einer yogischen Praxis gehört es sich ein Sankalpa, also einen Vorsatz, oder eine Intention zu setzten. Denn wie sagte Seneca schon so schön „Wer nicht weiß, zu welchem Hafen er segeln will, für den ist kein Wind der richtige“. Wenn es darum geht langanhaltende Veränderungen einzuleiten, machen wir oft den Fehler SOFORT, ALLES anders machen zu wollen. Ich kann gleich mehrere Lieder von diesem Fehler singen, wie oft habe ich geplant ab morgen jeden Tag Asana zu üben, nur noch gesund zu essen, drei Mal wöchentlich ins Fitnessstudio zu gehen, nach dem Timeblocking-Prinzip zu arbeiten, mehr zu malen, öfter auszugehen … die Liste ist unendlich, kein Wunder, dass alleine der Blick darauf mich schon erschöpft hat. Was mir geholfen hat tatsächlich das ein, oder andere umzusetzen ist das sogenannte „principle of one“. Das Prinzip ist selbsterklärend: eins nach dem anderen!
Gerade wenn es dir schwerfällt Prioritäten zu setzen und du nicht weißt wo du anfangen sollst, ist jetzt die Beste Zeit um dir neue Intentionen zu suchen. Unterstützt wirst du durch das Element Metall, welches den Herbst regiert. Metall steht für Klarheit und Struktur, meditier regelmäßig um dich diesen Qualitäten zu öffnen, Wie die scharfe Klinge eines Schwertes alles durchtrennt, erkennst auch du dann durch das Dickicht deiner Gedanken, worauf es im Moment wirklich ankommt. Öffne dich und bitte in deiner Meditation um Führung. Wenn du Spaß an Tarot, oder ähnlichem hast, go for it!
Wenn du dann soweit bist, schnapp dir dein Journal und schreib auf welchem EINEN Lebensbereich möchtest du dich jetzt widmen, welches ist der Bereich der, wenn in ihm alles laufen würde, alle anderen automatisch auch besser wäre? Wo hast du aktuell den größten Schmerz? Was stört dich am meisten? Anschließend überleg dir nur für diesen einen Bereich Zwischenetappen, die dich zum Endgoal führen, und voila, du hast einen Fahrplan.
Bei einem yogischen Sankalpa geht es allerdings um mehr als nur darum ein Ziel zu formulieren, wie bei allem Yoga geht es weniger um das Was, als um das Wie. Überlege dir WIE du dein Ziel erreichen möchtest, welche Qualitäten möchtest du an den Tag legen? Vielleicht ist es entspannt? Klar? Diszipliniert? Sexy? … Am Ende kann deine Intention z.B. so aussehen „Entspannt erledige ich meinen Papierkram regelmäßig“.
Was ist es was du aus dem Dunkeln ins Licht bringen möchtest?
Mini Bonustipp wenn du langfristig etwas an deinen Gewohnheiten ändern möchtest:
Die Natur gibt sich eine ganze Saison lang Zeit um sich auf Veränderung vorzubereiten, warum haben wir es dann immer so eilig??? Eine Sache die ich seit einiger Zeit praktiziere und die mich wirklich entspannter und überraschender Weise effizienter gemacht hat ist: Mir Zeit zu lassen. Wenn ich z.B. eine Idee für einen Blogartikel habe, schreibe ich nicht sofort los, ich lasse die Idee ein paar Tage in mir reifen und Struktur annehmen, bevor ich mich an den PC setze, dafür fließen die Worte dann um so leichter. Wenn ich eine, für mich relativ große, Entscheidung getroffen habe, schlafe ich meistens eine Nacht drüber und fühle wie es ist die Entscheidung getroffen zu haben und wenn es sich gut anfühlt, kann ich sie am nächsten Tag entspannt tatsächlich umsetzen. Das gleiche gilt für Intentionen, wenn der Fahrplan steht, gebe ich mir etwas Zeit mich mental, emotional und energetisch auf die Umsetzung vorzubereiten. Genau wie heißes Metall flexibel verschiedene Formen annehmen kann, kannst du diese Phase dazu nutzen den Plan hier und da vielleicht noch ein wenig anzupassen, bevor es im kalten Zustand (im nächsten Schritt) langanhaltende Struktur annimmt.
Die Magie des Mondes
Mit September beginnt die Yin Zeit, damit auch die Zeit des Mondes. Wenn du das Mysteriöse, Magie und Rituale genauso liebst wie ich, empfehle ich dir besonders jetzt Mondrituale (wenn sie nicht schon Teil deiner Praxis sind). Gerade wir Frauen haben, durch die Verbindung mit unserem Zyklus, eine besondere Beziehung zum Mond.
Beginne ganz simpel mit einem Neu-, oder Vollmond Ritual. Wenn du kannst nimm dir an diesen Tagen ganz besonders Zeit für dich und was dir gut tut. Vielleicht ist das ein ausgedehnter Spaziergang, oder ein ausgiebiges Bad. Mach dir schöne Musik an, Kerzen und/oder Räucherstäbchen, wenn das dein Ding ist. Make it magical! Vielleicht willst du dich auch einfach nur in deinen Sessel kuscheln und ein Buch lesen, oder in Ruhe was Besonderes Kochen.
Für mich sind Neu- und Vollmond, Tage an denen ich soviel wie möglich versuche nur Dinge zu tun die mir Freude bringen. Das bedeutet für mich Lesen, Musik hören, einen Film schauen, Malen, oder was mir sonst so gerade in den Sinn kommt. Fester Bestandteil dieser Tage ist eine ausgiebige Pflegeroutine, Yin Yoga, Meditation und Visualisierung, Journaling und wenn ich Lust habe Tarot. Aber das bin ich. Wie könntest du diese Tage für dich Special machen???
Eine kurze Internetrecherche wird dir eine Fülle von Mondritualen vorschlagen, wenn du nicht weißt wie du anfangen sollst, probiere einfach irgendetwas aus, was dich anspricht. Mit der Zeit, wirst du beginnen dein eigenes Ding daraus zu machen und so zu variieren wie es dir gerade passt.
Falls du mehr darüber lernen möchtest wie du dich auf den Mond eintunen kannst, empfehle ich dir das Buch „Mein Mond Journal“ von Tanja Brock. Seitdem ich es besitze, hole ich es jeden Neu- und Vollmond aus dem Regal. Im Buch werden die Qualitäten der beiden Mondphasen entsprechend der jeweiligen Tierkreiszeichen beschrieben, mit Reflexionsfragen und Kalendern wann der Mond in welchem Zeichen steht.
Yin Zeit, Yin Yoga!
In unserer physischeYogapraxis nutzen wir diese Zeit um aus der sonnigen Yang-Energie in die Yin-Energie zu fließen. Die dunkle Jahreszeit ist Yin. Es ist die Zeit des weiblichen, sanften, nährenden. In unserer Asana Praxis ist es die Zeit in der wir aus dem Tun zur Hingabe kommen. Es geht nicht darum wie präzise und kraftvoll wir die Haltungen ausführen (das tut es übrigens nie, aber jetzt noch mehr), sondern wie wir uns in den Haltungen fallen lassen können, wie sehr wir empfangen können was die Asanas uns geben, ohne dafür zu kämpfen.
Mehr Restorativ- und Yin Yoga ist die Devise, Pranayama das beruhigt und in die Stille führt, achtsamkeits- und kontemplative Meditationen. Einige Asanas für diese Zeit, sind das Kind, generell Vorbeugen um sich nach innen zu wenden, der gestützte Schulterstand, Viparita Karani (die Beine an der Wand hochgestreckt) und natürlich Savasana, die Yin Haltung überhaupt. Das heißt natürlich nicht, dass wir bis Frühling kein dynamisches Yoga mehr üben, genau wie im Yin der weiße Punkt des Yang enthalten ist, sollten wir auch immer wieder Yang Elemente, oder Tage in unsere ruhige Praxis einbauen.
Last but certainly not least, Summer is coming back!
Statt dem Sommer nachzutrauern, wisse dass jede Jahreszeit ein Geschenk ist, auch diese. Nutze sie um dich besonders hingebungsvoll dir und deinen Bedürfnisse zu widmen, dich zu nähren und liebevoll um dich selbst zuerst zu kümmern. Dies ist die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen, um wie eine Raupe im Kokon zu transformieren. Der Frühling wird wieder kommen und mit ihm das Licht indem du erstrahlst, mit allem was du im Dunkeln gesät hast.
Weder an der einen, noch an der anderen Jahreszeit zu haften, das ist Yoga. Um es mit Hermann Hesse zu formulieren:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
(Aus dem Gedicht Stufen)